24. Februar 2008

Chaos im Krankenhaus

Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier schon mal davon berichtet habe, falls doch habt ihr es wahrscheinlich eh schon wieder vergessen, sodass ich es ruhig nochmal schreiben kann ;-)

Fuer das Krankenhausprojekt, fuer das ich verantwortlich bin hatte ich schon immer schwierigkeiten, andere Freiwillige zu finden, die mit mir dorthin gehen. Das Krankenhaus liegt etwas ausserhalb in Bukarest und man braucht ziemlich lange, um dorthin zu kommen. Ausserdem ist die Gegend dort ziemlich arm und nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr so sicher. Daher ist dieses Krankenhaus nicht sehr beliebt bei den Freiwilligen, aber ich mag es sehr – es ist mein Lieblingsprojekt gleich nach meinem Chitila-Tagescenter. Daher versuche ich immer neue Leute zu rekrutieren und stuerze mich auf neue Freiwillige. So auch in dieser Woche. In ACTOR hatten wir drei neue rumaenische Freiwillige, drei ganz schicke Maedels, die sich fuer die Arbeit in den Krankenhaeusern interessierten. Die schnappte ich mir gleich und nahm sie am Donnerstag mit in mein Krankenhaus. Schon als wir die Gegend erreichten fuehlten sich die drei unwohl und jammerten, als sie mit ihren Stoeckelschuhen durch den Matsch laufen mussten und neben den aermlich gekleideten Leuten in ihren schicken Outfits schon ziemlich herausstachen. Im krankenhaus selbst war es nicht viel anders. Wir hatten an diesem Tag eine sehr grosse Gruppe hauptsaechlich Jugendlicher und ich kann schon nachfuehlen, dass so eine Uebermacht etwa Gleichaltriger beim ersten Mal etwas einschuechternd sein kann. Ich hatte ihnen schon vorher mein geplantes Programm fuer heute und was sie tun sollten erklaert. Aber trotzdem ruehrten sie sich nicht von der Stelle, als wir dann bei unserer Gruppe waren, standen dicht aneinander gedraengt zusammen und schienen sich hinter mir verstecken zu wollen. Also versuchte ich ihnen verschiedene Aufgaben zuzuteilen und Anweisungen zu geben, damit sie sich vielleicht besser integrieren koennen. Aber die Maedels schienen da echt Probleme zu haben. Bei jeder Gelegenheit scharten sie sich zusammen und schauten mich veraengstigt an. Ich wusste nicht, ob ich das lustig oder aergerlich finden sollte. Selbst als ich die grosse Gruppe aufteilte und mit einer der Freiwilligen zusammen in einer kleiner Gruppe von 5 Jungs ein Spiel begann, machte sie keine Anstalten mal von selbst etwas zu tun und als ich ihr dann eine Anweisung gab, schaute sie mich nur mit grossen Augen an und sagte „das verstehe ich nicht“. Also musste ich mit meinem holprigen rumaenisch alles alleine machen, was bei so einer grossen und laermenden Gruppe echt schwierig war. Die Jugendlichen selbst hatten die Unsicherheit und Verschuechterung der Maedels auch bemerkt und vor allem die Jungs machten Witze ueber sie, was ihre Situation natuerlich nicht unbedingt verbesserte. Die Maedels jedenfalls waren heilfroh als die Stunde endlich um war und sie gehen konnten. Und ich auch. Die Maedels waren ja fast anstengender gewesen als die Gruppe Jugendlicher.

Deutschland und ich

Waehrend der stressigen Examenszeit lief bei ACTOR ziemlich viel auf Sparflamme, da die meisten vor lauter Lernen einfach keine Zeit hatten. Dafuer hatte ich umso mehr zu tun, da ich oftmals einspringen musste oder ein andres Programm erstellen sollte.

So zum Beispiel in dem Militaer-Kindergarten, in den ich sonst immer jeden Morgen mit meiner Kollegin Andreea gehe. Da es fuer Andree aber unmoeglich war, zu kommen und das Kindergatenprojekt aber trotzdem nicht ausfallen sollte, bekam ich den Auftrag, fuer die Kinder eine Art interkulturellen Vortrag zu halten – ueber Deutschland. Da musste ich mir echt was einfallen lassen. Was interessiert Kinder denn im Alter von 3 Jahren, noch dazu ueber ein Land, von dem sie bisher vielleicht noch gar nichts gehoert hatten. Und wie kann ich sie eine ganze Stunde lang bei der Stange halten? Sicherlich nicht mit Fakten ueber den hoechsten Berg und das Regierungssystem. Ich habe lange hin und her ueberlegt und auch erstmal selbst im Internet suchen muessen, was eigentlich „Deutschland“ bzw die „deutsche Kultur“ ausmacht. Wenn man ueber das, was fuer einen voellig normal und selbstverstaendlich ist, was erzaehlen soll, sieht man meist den Wald vor lauter Baeumen nicht. Mir ist wirklich nichts eingefallen, ausser den gaengigen Stereotypen wie Lederhosen und Bier.

Schliesslich war es aber vollbracht. Nach stundenlanger Arbeit und Malerei (Eugenia wollte kleine Deutschland-Flaggen fuer jedes Kind haben, die musste ich natuerlich selbst basteln) hatte ich ein interessantes und lustiges Programm zusammen gestellt. Es hatte nicht so viele Fakten ueber Deutschland, da das die Kinder ja wirklich nicht interessiert, sondern viele persoenliche Geschichten und Anekdoten, ein Maerchen der Gebrueder Grimm (die Bremer Stadtmusikanten), das die Kinder dann auch mit Feuereifer und einem Heidenlaerm nachspielten und auch ein lustiges Spiel (Topfschlagen mit „Kinder“-Schokolade als Preis). Die Kinder waren begeistert und auch Eugenia hats gut gefallen. Sie erzaehlte dann allen andren ACTOR-Freiwilligen die es hoeren wollten oder auch nicht, wie toll ich das gemacht haette. Und in ihrer Euphorie hatte sie auch gleich noch die tolle Idee, das auszubauen und mich noch in Schulen mit meinem (dann etwas abgeaenderten) Programm zu schicken. Ich weiss ja nicht, was ich davon halten soll. Aber wahrscheinlich verlaeuft sich das wieder. Eugenia hat viele solcher Einfaelle in ihrer Euphorie, die sie dann aber (meist zum Glueck fuer die armen Freiwilligen) schnell wieder vergisst.

was andere so treiben

Es ist an der zeit, mal wieder aus meinem spannenden leben zu berichten. Es hat sich mal wieder einiges getan.

Aber bevor ich die momentanen Ereignissen erzaehle, muss ich erst noch von einigen Dingen vor ein paar Wochen berichten, fuer die ich bisher noch nicht die Zeit hatte.

Zum ersten mal seit ich hier in rumaenien bin war ich richtig krank. Ich weiss zwar nicht genau was es war, aber ich vermute mal ne Magen-Darm-Grippe. Mir ging es richtig hundeelend, ich konnte nichts andres machen als frierend bei voll aufgedrehter heizung und drei pullis an im Bett liegen und bloss beim Gedanken an Essen wurde mir schlecht. Alices Schwester, die gerade zu Besuch war hat mir dann immer Tee ans Bett gebracht, da ich wegen meinem ueblen Brummschaedel und Beinen wie Pudding nicht mal aufstehen konnte.

Aber anscheinend hat diese konsequente Bettruhe was geholfen. Am naechsten Morgen fuehlte ich mich zwar noch etwas schwach, aber wieder frisch und munter und am Nachmittag gings mir schon wieder blendend.

Am darauffolgenden Wochenende veranstaltete das Bukarester Naturkundemuseum eine Sonderausstellung ueber Dinosauerier und da war ACTOR natuerlich auch mit dabei. Vier Stunden lang bastelten wir mit mehreren Kindergruppen Origami-Dinosaurier und veranstalteten Wettbewerbe. Es war ein heilloses Chaos und viel Laerm bei so vielen Kindern und wir hatten alle Haende voll zu tun, da deren Eltern ihre Sproesslinge vertrauensvoll in unsre Haende gegeben hatten um selber mal ne ruhige Minute zu haben. Aber es machte auch viel Spass und im Anschluss sah ich mir auch noch zusammen mit zwei andren ACTOR-Maedels das ganze Museum an, ohne Eintritt zahlen zu muessen.

Fuer die naechste Woche hatten sich zwei deutsche Freiwillige aus Suceava (im Norden Rumaeniens) bei mir angekuendigt. Sie waren unzufrieden mit ihrem Projekt und sind nun auf der Suche nach einem neuen. Dafuer besuchen sie einige Projekte in ganz Rumaenien und wollten eben auch mit mir zusammen in meine Krankenhaeuser gehen. Am Montag besuchten sie das Projekt von Claudia, einer Freiwilligen, die ich auch schon von der Feier einer andren Deutschen hier in Bukarest kannte. Das Projekt hoerte sich interessant an und da ich an diesem Tag vormittags frei hatte, begleitete ich Anna und Arne (die zwei aus Suceava).

Claudia arbeitet in einer Kerzenwerkstatt fuer geistig Behinderte. Sie sind 20 Jahre oder aelter, sind im Geiste aber noch kleine Kinder oder koennen sich nicht richtig artikulieren. Auch zwei mit Down-Syndrom sind dabei. Die Kerzenwerkstatt ist zum einen fuer sie ein Ort, wo sie angenommen werden (viele der Eltern waren mit ihren Kindern ueberfordert und haben sie in Heime geschickt oder manche wurden auch auf der Strasse gefunden) und eine sinnvolle Beschaeftigung haben. 8 Stunden am Tag arbeiten sie in der Werkstatt und stellen Kerzen her, die dann auch verkauft werden. Die Kerzen sehen richtig toll aus und ich habe mir auch ein paar mitgenommen. Gegruendet wurde die Werkstatt vor sieben Jahren von einem Deutschen, der das Projekt zusammen mit seiner Frau leitet. Ausserdem gibt es in der Werkstatt auch eine Psychotherapeutin, die die Menschen betreut. Claudia selbst arbeit auch mit ihnen und hilft z.B. dabei, lesen zu lernen, den Weg nach Hause allein finden zu lernen und sich sprachlichbesser auszudruecken. Mich hat das Projekt sehr beeindruckt und ich fand die Arbeit toll. Ziel der Werkstatt ist es, den Menschen, die dort arbeiten zu helfen, selbststaendiger zu werden und so vielleicht irgendwann sogar eine „normale“ Arbeit beginnen zu koennen. Und es gibt auch viele kleine und grosse Erfolge. Und jedes Jahr veranstaltet die Werkstatt im April etwas besonderes zur „Nacht der Kerzen“. Im vergangen Jahr war es eine ca zwei Meter hohe Kerze, die dann feierlich angezuendet wurde. Dieses Jahr soll es eine ganz breite Kerze mit 200 Dochten werden.

Eine Weile konnten Anna, Arne und ich den anderen zusehen, wie sie ihre Arbeit begannen und z.B. die Kerzenformen saeuberten oder Dochte flochten. Anschliessend konnten wir uns auch selber mal am Dekorieren einer Kerze mit farbigen Wachsplatten versuchen. War gar nicht so einfach, war fuer mich aber ne tolle Erfahrung und ich hab mich mit meinem holprigen Rumaenisch auch ein bisschen mit den andren unterhalten. Ich moechte das Projekt gern mal wieder besuchen, da ich es wirklich toll dort fand und mich auch das Kerzenmachen selbst total interessiert :)

Ich habe auch gleich Kontakte geknuepft und mit meiner Leiterin Eugenia gesprochen, sodass wir jetzt fuer unsere Osteraktion einige Kerzen in der Werkstatt bestellen werden. Ich darf fuer diese Kerzen jetzt ein Motiv entwerfen... bei sowas bin ich ja ganz unkreativ... mal sehen, was mir so einfaellt.

Nach der Kerzenwerkstatt gingen Anne, Arne, Claudia und ich zusammen weiter zu Almut. Almut ist auch eine deutsche Freiwillige, die in einem Atelier fuer stark hospitalisierte Kinder arbeitet. Dort macht sie verschiedene Aktivitaeten mit den Kindern (wobei „Kinder“ ja eigentlich das falsche Wort ist. Sie sind ja auch um die 20 Jahre alt, nur eben im Verhalten und von der Entwicklung her noch Kinder). Allerdings konnte ich nicht so lang bleiben, da ich zu meiner eigenen Arbeit losmusste.

2. Februar 2008

Lisa bei den wilden Hühnern

Im Moment sind die Studenten Rumäniens schwer beschäftigt, denn es ist Examenszeit. Und bei ACTOR läuft alles ziemlich auf Sparflamme, weil eben niemand Zeit hat. Die Projekte laufen allerdings weiter. Und was macht man am besten, wenn man selber keine Zeit für seine Projekte hat? Genau, man schickt die EFD-Freiwillige, sprich mich, hin, dafür hat man sie ja. Daher hatte ich also vergangene Woche das besondere Erlebnis, drei Grundschulklassen (zwei erste und eine vierte Klasse) mit je ca zwanzig aufgedrehten Kindern ganz allein am Nachmittag zu beschäftigen.
So rein von sprachlichen her war das eigentlich nicht das Problem. Mittlerweile kann ich genug Rumänisch (zumindest im Bezug auf Origami etc), um auch allein zurecht zukommen.
Zwei der drei Klassen klappten auch ohne Probleme und ich kam gut mit den Kindern zurecht. Nur eine Klasse, oder besser gesagt ein einzelner kleiner Junge namens Razvan hat mich wirklich fast den letzten Nerv gekostet. Nicht nur, dass er ständig von seinem Platz aufsprang, durchs Zimmer rannte, die anderen Kinder mit Papierrollen schlug und sich dann schreiend auf den Boden warf, er steckte auch einige der anderen Jungs an und so hatte ich dann mit drei bis vier wildgewordenen Kindern zu kämpfen, während ich noch gleichzeitig dem Rest der Klasse versuchte, die Origami-Schritte zu zeigen und dann anschließend bei jedem einzelnen zu verbessern. Das war nämlich auch nicht so einfach. Die Kinder konnten es anscheinend nicht abwarten, bis ich zu ihnen kam und rannten alle sofort vor zu mir, bildeten dann einen lärmenden Haufen um mich herum und jeder streckte mir wild fuchtelnd seine Bastelei entgegen. Nach mehrmaliger eindringlicher Aufforderung setzten sich die meisten dann aber doch wieder auf ihre Plätze und den wild gewordenen Jungs drohte ich an, ihre Bastelei wegzunehmen, wenn sie nicht aufhörten. Das half dann auch für kurze Zeit – jedoch nicht bei Razvan. Als ich ihm seinen Papier-Dinosaurier dann nämlich wegnahm, begann er, seinen Tisch und Stuhl umzuschmeißen. Daraufhin fingen dann die anderen Kinder das Schreien an (wer weiß, was sie sonst von ihm gewohnt sind...) und ich versuchte es mit ignorieren, nachdem ich die anderen wieder ruhig stellen konnte.
Ein andres Mädel aus der Klasse machte mich auch fast wahnsinnig. Sobald ich ihr eine Faltung gezeigt hatte, rannte sie zu allen anderen Kindern, entriss ihnen ihre Bastelei und wollte es ihnen verbessern. Sie war davon nicht abzubringen. Und anscheinend hatte sie mit Razvan noch eine Rechnung zu begleichen, denn als er sich seinen Dinosaurier wieder holen wollte, zerriss sie ihn einfach. Daraufhin war er überhaupt nicht mehr zu bändigen, randalierte und warf sich heulend auf seinen Tisch. Die anderen Kinder scharten sich dann alle um ihn und begannen mit schadenfreudigem Hohngesang. Das kriegte ich dann allerdings wieder in den Griff und nachdem Razvan erstmal keinen Mucks mehr von sich gab, konnte ich den Rest der Stunde relativ ungestört zuende bringen. Uff...
Zum Glück waren die beiden anderen Klassen ganz anders. Dort hatte ich überhaupt keine Probleme mit den Kindern oder dem Programm und die Kinder waren sogar so motiviert, dass sie die Faltungen wieder und wieder machen wollten, um sie sich gut zu merken.

Nächste Woche bin ich dann noch dreimal allein in einem Kindergarten. Das wird auch ein Spaß... naja, was einen nicht umbringt... ;-)