9. Oktober 2007

Maxitaxi nach Vidra

05.10.2007, Bukarest
Langsam nervt mich das ständige Freihaben. Ich kann hier ja noch nicht viel alleine machen und langweile mich dann eigentlich meistens.
Heute hatte mich aber zum Glück Fabian eingeladen, mit zu seinem Projekt nach Vidra, einem kleinen Dorf in der Nähe von Bukarest zu kommen.
Allerdings hätte mir fast der Klemptner einen Strich durch die Rechnung gemacht. Alice hatte ihn wegen des ständig fast völlig verstopften Klos schon vor drei Wochen gerufen und ausgerechnet heute, kurz bevor ich loswollte, tauchte er auf. Ich wollte ihn ja auch nicht allein in dem Apartment lassen. Er fing auch gleich an, mit Bunsenbrenner und allem möglichen Gerät das Klo auseinander zunehmen. Das ganze Apartment stand unter Rauch. Der Klemptner konnte auch kein Englisch, daher war unsre Verständigung auf einfache Dinge mittels Händen und Füßen beschränkt. Aber dann kam zum Glück Alice von ihrer Uni zurück und ich konnte endlich los. Fast pünktlich kam ich dann auch beim Treffpunkt mit Markus an, der mich nach Vidra begleiten wollte. Da war ich auch ziemlich froh drüber, da ich das allein ja nie gefunden hätte. Zuerst warteten wir an einer scheinbar willkürlich ausgewählten Stelle auf das sagenumwobene Maxitaxi (oder auch Mikrobus genannt). Das ist einfach ein Kleinbus, der über verschiedene Strecken fährt. Ist sehr günstig, aber auch sehr unbequem. Was zum einen an den wenigen Sitzplätzen und der herrschenden Hitze im Inneren liegt und zum anderen an den mit Schlaglöchern übersäten Straßen sobald man aus Bukarest raus und aufs Land kommt.
Ungefähr ne halbe Stunde Holperfahrt später kamen wir in Vidra an. Zwischenzeitlich hatte ich doch nen Sitzplatz ergattern können und konnte die Gegend beobachten. Was mir besonders auffiel: der Müll. Entlang der Straßen war alles zu finden, was mensch so wegwirft. Leere Flaschen, Windeln, Batterien, Pappkartons, Tüten usw. Wie auch schon in Apold war nur die Hauptstraße geteert. Alle andren Wege waren bloß fester Erdboden oder bestenfalls geschottert oder Kopfsteinpflasterstraßen, über die Pferdekarren ratterten. In einem Ort, durch den wir fuhren, standen einige alte „Zigeunerpaläste", wie Markus sie nannte. Große, nobel aussehende Häuser mit typischen Zinnen auf mehreren Türmen, die das Dach zieren. Das kann ich gar nicht so gut beschreiben. Sobald wie möglich, lad ich die Bilder dazu hoch.
In Vidra stiegen wir an einer Kreuzung aus und liefen dann noch ein paar Minuten durch das Dorf, bis wir bei Fabians Arbeitsstelle, der Fundatia, ankamen. Diese Fundatia ist ein Heim für Kinder, die durch Hospitalismus mehr oder weniger schwere Behinderungen haben und nun dort betreut werden.
Fabian selbst war noch gar nicht da. Dafür traf ich zwei deutsche Mädels wieder, die ich in Apold kennen gelernt hatte. Und noch den „alten Hasen" Sascha, der hier auch schon länger als Freiwilliger arbeitet. Der spielte gerade mit einem Mädchen Tischtennis und wir gesellten uns zu ihm. In dem Raum waren auch noch ein Junge und ein Mädchen, die ich so auf den ersten Blick auf 7 oder 8 Jahre geschätzt hätte. Zu meiner Überraschung erklärte mir Sascha später, dass beide schon 20 seien. Auch von ihrem Verhalten her hätte ich sie für Kinder gehalten. Vor allem der Junge schien von meiner hellen Haut und meinen blonden Haaren fasziniert gewesen zu sein und fasste mir ständig in die Haare oder kniff mich in die Wangen. Geredet haben beide nicht viel, was aber nicht weiter schlimm war, ich hätte sie eh nicht verstanden. Dann plötzlich hatte der Junge eine Idee, nahm meine Hand und wollte mir unbedingt etwas zeigen. Das Mädchen kam hinterher. Die beiden brachten mich in einen kleineren Raum mit mehreren Computern und begannen, alles mögliche aufzubauen. Mit Händen und Füßen machte der Junge mir begreiflich, was ich tun sollte und nach einer Weile und mehrmaligem Umstecken (er hatte andere Vorstellungen davon, wohin z.B. das Stromkabel des Monitors gehörte), lief dann der PC endlich und die beiden freuten sich wie die Schneekönige. Der Junge, der der eindeutig Aktivere der beiden war, versuchte dann mit mir zu kommunizieren, was gar nicht so einfach war. Und auch das Mädchen, obwohl es nicht redete, war sehr aufgeschlossen mir gegenüber.
Kurze Zeit später erschien dann Fabian und ich lies die zwei mit dem PC alleine. Vorher schenkte ich ihnen aber noch jeweil einen meiner Armreife, da sie da schon die ganze Zeit scharf drauf waren und sich auch riesig drüber freuten.
Fabian zeigte mir dann den etwas verkümmerten Garten und das ganze Gelände der Fundatia. So sah ich dann auch mal die Zimmer der Jugendlichen und auch einige Härtefälle. Ein Mädchen zum Beispiel saß mit einer Decke über dem Kopf in ihrem Bett und wippte die ganze Zeit nur mit dem Oberkörper hin und her. Andere können nicht sprechen oder selbstständig laufen. Andere sind aggressiv und unberechenbar. Und wieder andere sind eigentlich relativ „normal" und bekommen sogar Ausgang.
Vorerst gab es in der Fundatia nichts zu tun , und so machte ich mich mit Fabian, Sascha und Markus wieder auf den Heimweg nach Bukarest.
Am Piata Sudului stiegen Fabian und ich dann aus, da er mir dort einen großen Markt zeigen wollte. Und der war dann auch wirklich beeindruckend. Unzählige Buden drängten sich aneinander und boten alles erdenktlich mögliche an. Frisches Obst und Gemüse war ebenso in Massen verteten wie Kleidung, Schuhe, Töpfe & Pfannen, Wolle, Spielsachen, Blumen, Insektenvernichtungsmittel (hab mir gleich eins gekauft) und und und. Zwischen den Menschenmassen war es aber gar nicht so einfach, voranzukommen, aber das war ich ja mittlerweile schon fast gewohnt. Kurze Zeit später verabschiedete sich Fabian wieder und ich schlenderte nochmal in Ruhe über den Markt und ließ mich von dem Farbschwall beeindrucken und von dem Menschenstrom mitreißen.
Anschließend fuhr ich um einige Einkäufe reicher wieder mit der Ubahn zurück zum Apartment. Das Obst und Gemüse ist auf dem Markt nicht nur sehr frisch, sondern auch noch extrem preiswert. Da hab ich doch gleich kiloweise zugeschlagen und mich dann später sogar ans Kochen gewagt. War dann auch mehr oder weniger genießbar ;-)

Keine Kommentare: